Linzer Kreis:

Was geschah bis jetzt?

 

Auf unsere Einladung hat am 11. März 2006 der Psychologe und Therapeut Prof. Dr. Arno Gruen im Kunstmuseum Lentos einen Vortrag über „Der Fremde in uns" gehalten. Unter dem Gesamttitel „Zwischen Mitgefühl und Egoismus: Widersprüche in unserer Lebenswelt?" wurde diese Veranstaltung sehr gut besucht und in den Massenmedien sehr positiv reflektiert.
Arno Gruen als international anerkannter, langjährig in Amerika lehrender, derzeit in Zürich arbeitender Professor auf dem Gebiet der Tiefenpsychologie und beschäftigt sich in neuerer Zeit vor allem mit den Ursachen für „Extremismus, Gewalt und Terror (vergleiche sein Buch „Der Kampf um die Demokratie"2002), aber auch im weiteren Sinne mit Friedensforschung , wozu im März 2006 ein neues Buch mit dem Titel „Ich will eine Welt ohne Kriege", erscheinen wird.
Im Jahre 2000 erhielt Arno Gruen für sein Buch „Der Fremde in uns" den Geschwister Scholl-Preis. Interessant ist auch sein Buch mit dem Titel „Der Verlust des Mitgefühls (über die Politik der Gleichgültigkeit)", in dem er sich in übertragenem Sinne mit den Grenzen der Bürokratisierung auseinandersetzt, einem Thema das auch von Richard Sennett in seinem neuen Buch „Die Kultur des neuen Kapitalismus" (Berlin Verlag 2005) behandelt wird.
In dem 2003 erschienen Buch „Verratene Liebe - Falsche Götter" geht es ihm angesichts der kriegerischen Konfrontation am Persischen Golf um eine Warnung vor neuen Katastrophen und um die leidvolle Geschichte mit falsche Göttern in einem Zeitalter von Psychopathen und Bürokraten. Dieses Buch endet mit dem Epilog „Der Hass wächst", was angesichts der derzeitigen Lage, als Kampf der Kulturen besondere Aktualität erhält. Gruen zitiert u.a. Milan Kundera: „Der Kampf des Menschen gegen die Macht ist der Kampf des Gedächtnisses gegen das Vergessen."
Gruen moniert das langfristig nur ein Weg den Bestand demokratischer Gesellschaften sichern kann: Die wahren Bedürfnisse von Menschen zu erkennen und ernst zu nehmen, Kindern die Möglichkeit zu einer wahren Kindheit zu bieten, die sich an eigenen empathischen Wahrnehmungen und Bedürfnissen orientiert. Das sei die Rettung für die Menschheit. Die Zeit dränge – „wir haben keinen anderen Weg als den des Lebens".

Am 7. Dezember 2006 hat der Philosoph Prof. Wilhelm Schmid im Kunstmuseum Lentos einen Vortrag über „Ökologie und Lebenskunst" gehalten. Zuvor hatte Prof. Schmid an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Linz ein StudentInnenseminar über das Thema „Kann man Lebenskunst lehren und lernen?" gehalten. Beide Veranstaltungen wurden außergewöhnlich gut besucht und von der Linzer Bevölkerung angenommen und in den Massenmedien sehr positiv reflektiert. Wir haben auch eine komplette Videodokumentation dieser Veranstaltungen und haben diese auch auf unserer eigenen Homepage im Internet aufgestellt.
Wilhelm Schmid spricht von einer Wiederentdeckung, vielleicht sollte man aber weitergehen und sogar von einer „Wieder"-Belebung von Lebenskunst sprechen. Mit Lebenskunst ist natürlich nicht ein „unbekümmertes Wohlfühlglück" gemeint, sondern eher die „bewusste Lebensführung", also so etwas wie eine handlungsrelevante Reflexion unserer Lebensumstände, d. h. die „Sorge für sich und das eigene Leben". Dadurch kann im übrigen sehr wohl ein „erfülltes" (individuelles) Leben entstehen. Ein Leben, „das nicht nur aus Glücksmomenten besteht, und aus dem die Widersprüche nicht ausgeschlossen, sondern bestenfalls zu einer spannungsreichen Harmonie zusammengespannt sind".
Lebenskunst ist somit eines der Mittel mit denen wir „Widersprüche in unserer Lebenswelt" (im Spannungsfeld zwischen Mitgefühl und Egoismus) bewältigen können und betrifft die „Kunst, Fehler zu machen" (und zu erlauben) reflektiert zu beherrschen. (M. Osten: Bibliothek der Lebenskunst).
In Anwandlung von Kant und W. Schmid könnte folgender Imperativ eine Rolle spielen: „gestalte dein Leben so, dass die Maxime deines Handelns zu einem allgemeinen Lebens-Prinzip (unabhängig von dir selbst und gültig auch für andere) erhoben werden könnte".
Leben soll also letztendlich „bejahenswert" sein. Dabei geht es nicht nur darum, den sogenannten individuellen, ökonomischen Vorteil zu maximieren, sondern auch darum, an sein Umfeld zu denken, an die Menschen ebenso wie die Natur, an die eigene Gruppe ebenso wie das Land in dem man lebt. Daraus ergibt sich durchaus „sich selbst ein schönes (erfülltes) Leben zu machen". (W. Schmid)

Prof. Dr. Manfred Osten wurde nach Linz eingeladen und hielt im Lentos einen Vortrag  über „Die Kunst, Fehler zu machen". Dieser Vortrag fand am 20. Oktober 2007 statt und wurde auch in den Medien hervorragend reflektiert.
Manfred Osten geht der Frage nach einer „Kultur, wie man mit Fehler umgeht". Die Welt in der wir leben scheint immer komplexer und undurchsichtiger zu werden (zumindestens für die Normalverbraucher). Man darf sich daher nicht wundern, wenn sich viele Menschen ängstlich an die Benutzung und Einhaltung von Regeln halten, um nur ja keine Fehler zu machen. Problematisch ist das erst, wenn die Anwendung der Regeln zu Ergebnissen führt, die menschlich gesehen inakzeptabel sind und in Widerspruch zu unseren Werten stehen. - Die Regeln selbst bauen auf so genannten charakteristischen Kenngrößen auf, wie sie den Entscheidungen von Assessment-Zentren zugrunde gelegt werden. Dabei wird jedoch unausgesprochen vorausgesetzt, dass die angesprochenen Kenngrößen-Systeme „vollständig" sind und daher garantieren, dass es zu keinen Fehlern kommen kann, solange man sich nur exakt/stur an die Regeln hält (und nichts hinterfragt). Dies ist der Grundsatz der Bürokratie.
Wenn es aber doch zu Fehlern kommt, sucht man die Fehler zuallererst im so genannten menschlichen Versagen. – Auf den Inhalt -- die Lebenswelt, auf die wir uns beziehen -- scheint es nicht mehr anzukommen und ein verständnisgeleitetes Mitdenken scheint „verzichtbar" geworden zu sein. Der Einsatz eines menschlichen Augenmaßes als Korrekturinstrumentarium geht dabei verloren. Die Welt wird zu einem Videospiel, in dem bestenfalls die Regeln leicht variiert werden können. Erfolg beruht nicht auf Erfahrung sondern auf Berechnungen!
Wir setzen dadurch letztlich unsere „conditio humana" aufs Spiel, ebenso wie die Grundlagen unseres Erfolges als Menschen und verraten unsere Ideale. Ohne uns dessen genau bewusst zu sein fördern wir damit Inflexibilität, Intoleranz, unverantwortliche Verallgemeinerungen und Fundamentalismus! -- Tatsächlich aber sind unsere Theorien (aufgrund der notwendigerweise benutzen Vereinfachungen) gewissermaßen unvollständig. Im Alltag benutzen wir unscharfe Begriffe bzw. Klassifikationen weshalb unsere Theorien nicht als „unmittelbare" Handlungsempfehlungen verstanden werden sollten, sondern eher sensibel, d. h. mit Korrekturspielraum und Augenmaß umgesetzt werden sollten.

Am 26. Oktober 2008 wurde zu einem „Matinee am Staatsfeiertag" im Brucknerhaus eingeladen. Prof. Walter Kohn (Chemienobelpreisträger) und Prof. Kurt Rothschild (Gründer der Johannes Kepler Universität) diskutierten als Ehrengäste im Podium mit Prof. Michael John über das Thema „Verantwortung des Wissenschaftlers: Gestern und Heute". Anlässlich des Staatsfeiertages und in Erinnerung an die Ereignisse vor 70 Jahren wurde indirekt nicht nur auf die Verantwortung der „Community of Scientists" verweisen, sondern auch auf den enormen intellektuellen Aderlass den Österreich im Folge der Ereignisse nach 1938 erlitt. Als Gegensatzpaar haben wir zwei Wissenschaftler ausgesucht: Einerseits den Nobelpreisträger Universitätsprofessor Dr. Walter Kohn eingeladen, der 1938 nach England und Kanada emigrierte, schließlich in den USA blieb und 1998 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Andererseits Universitätsprofessor Dr. Kurt Rothschild, der nach seiner Emigration 1938 1947 nach Wien zurückgekehrt ist und als ein Gründungsvater der Johannes Kepler Universität Linz zählt. Beide Wissenschaftler sind Symbole für ein intellektuelles Österreich und ein geistiges Klima, dessen Erhalt inzwischen schwierig geworden ist. Beide Wissenschaftler haben in ihren Gebieten sowohl inhaltlich als auch verantwortungsbewusst die Wissenschaft vorangetrieben, aber eben in einer verantwortungsvollen und reflektierten Weise. Sie haben gelebt, dass man sich in der Wissenschaft nicht auf die „Verwaltung von Wissen" beschränken soll um gemütlich gewordene Positionen zu verteidigen und die wissenschaftliche Neugier einzuschläfern. In der heutigen Zeit hat man den Eindruck, dass vor allem „intellektuelle Bequemlichkeit, Dogmatismus und fehlende Vorstellungskraft" uns daran hindern „in innovative Gebiete und zu wissenschaftlicher Exzellenz vorzustoßen". In einem derartigen intellektuell „unterernährten" Umfeld spielt die Verantwortung eines Wissenschaftlers eine eher geringe Rolle. Eine rein monetäre Steuerung von Bildung zerstört das, was wir den im „Europäischen Traum" verankerten Wettbewerbsvorteil nennen könnten. „Gestern, Heute und Morgen" wird es darum gehen einen Ausgleich zwischen „Egoismus und Mitgefühl", lokaler Optimierung und globaler Verantwortung, zu finden.

Zu diesen Veranstaltungen kamen Landtagspräsidentin Angela Ortner sowie Stadtrat Hans Mayr regelmäßig als EröffnungsrednerInnen und Diskutanten dazu. Landtagsabgeordnete Gertraud Jahn war auch von Anfang an involviert.
Zusätzlich zu den öffentlichen Vorträgen hat Prof. Rainer Born auch die Methode des „World Cafe" vorgeschaltet. In dieser kreativen Diskussionsform wurden die Themen der Vorträge in einer breiten Art und Weise reflektiert. Diese Methode werden wir auch in zukünftigen Veranstaltungen verwenden, da sie eine Vertiefung der Reflektion darstellt und von einer passiven Form des Zuhörens in eine partizipatorische Form der aktiven Beteiligung übergehen kann. Die Zuhörer können dann ihrerseits das Thema in konzentrischen Kreisen weiterreflektieren.